„Gelingendes Altern im Sozialraum und Quartier“
Demografische Entwicklung stellt Kommunen vor neue Herausforderungen
Das Altern bringt viele Veränderungen – aber auch neue Chancen. Darüber waren sich sowohl die Referentinnen und Referenten als auch die rund 100 seniorTrainerinnen und -Trainer einig, die am 26. September aus ganz Mecklenburg-Vorpommern zur Fachtagung des Seniorenrings M-V nach Schwerin gekommen waren. Unter dem Motto „Gelingendes Altern im Sozialraum und Quartier“ ging es um die Rahmenbedingungen für ein gutes Leben im Alter.
Zum Auftakt kritisierte Helga Bomplitz, Vorsitzende des Landesverbandes M-V des Deutschen Seniorenrings e. V., dass die gängigen Klischees sowohl über ältere Menschen als auch über Ostdeutsche leider immer noch eher das Trennende zwischen den Generationen und zwischen Ost und West als das Verbindende thematisieren. „Das Abkanzeln der Ostdeutschen scheint Methode zu sein“, stellte sie fest und forderte einen differenzierten Blick auf den Osten und auf die Älteren. „Viele ältere Menschen sind alles andere als gebrechlich und pflegebedürftig, sie übernehmen unterschiedlichste Aufgaben für die Gemeinschaft“, betonte sie. Aber für Engagement auch im Alter brauche es entsprechende Rahmenbedingungen im Land und insbesondere in den Kommunen.
An einer landesweiten Ehrenamtsstrategie werde mit Hochdruck gearbeitet, sagte Christine Klingohr. Die SPD-Landtagsabgeordnete berichtete über den „Runden Tisch gegen Einsamkeit im Alter“, den die Landesregierung im Auftrag des Landtages im Mai 2023 eingesetzt hatte und dessen Abschlussbericht dem Landesparlament Anfang 2025 übergeben werden soll. „Ältere Menschen müssen die Anerkennung, Bildung und Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen!“, betonte Klingohr und würdigte das Engagement der seniorTrainerinnen und -Trainer: „Sie sind die Leuchttürme des Ehrenamtes!“
„Wir entwickeln uns zu einer Gesellschaft des langen Lebens“, konstatierte Prof. Dr. Maximilian König, Internist, Geriater und Epidemiologe an der Universitätsmedizin Greifswald. Auf diese veränderte Lebenswirklichkeit und die damit verbundenen neuen Anforderungen müssten die Kommunen konkrete Antworten finden. Ein zentraler Aspekt für gelingendes Altern sei die Wohnsituation. Es bestehe ein großer Bedarf an Beratung zur Wohnungsanpassung. König leitet das Projekt „Landesfachstelle Wohn- und Digitalisierungsberatung in Mecklenburg-Vorpommern“ mit zunächst zwei Standorten im Land (Schwerin und Wolgast). Ziel aller Bemühungen müsse es sein, dass die Menschen trotz altersbedingter Einschränkungen ein selbstwirksames Leben führen können.
Ein seniorenpolitisches Gesamtkonzept für den Landkreis Mecklenburgische Seenplatte stellten Michael Löffler, Sozialdezernent im Landkreis MSE, und Dr. Christiane David, Koordinatorin Jugendservice MSE, vor. Sie fokussierten ihre Ausführungen auf vier Aspekte für erfolgreiches Ehrenamt: veränderte Ehrenamtsmechanismen, Nachwuchsgewinnung, verlässliche Rahmenbedingungen und Wertschätzung der Aktiven.
Tanja Blankenburg, Referatsleiterin im Wirtschaftsministerium M-V, erläuterte die Arbeit der Arbeitsgruppe 1 „Raumplanung und Wohnformen“ des Runden Tisches gegen Einsamkeit im Alter. „Einsamkeit ist ein subjektives Gefühl und kann nicht geheilt werden“, so Blankenburg. Jedoch könne man zahlreichen Maßnahmen zur Prävention ergreifen. Wichtig sei ein Dritter Ort, an dem man sich jenseits von Wohnung und Arbeit begegnen und austauschen könne. Als einige Beispiele nannte sie Plauderbänke, Gemeinschaftsgärten und Friedhofscafés. Diese Treffpunkte müssten in „Pantoffelnähe“, also gut erreichbar, sowie ohne Konsumzwang für alle zugänglich sein.
„Der Dritte Ort muss ein Ort sein, der viele unterschiedliche Menschen anlockt und aktiviert“, konkretisierte Annalena Jonetzko von der Körber-Stiftung. Sie stellte als einen solchen Begegnungsraum in der altersfreundlichen Stadt das „Körberhaus“ in Hamburg vor. Als Public Private Partnership von Körber-Stiftung und Bezirksamt Bergedorf vereine es neun Partnerorganisationen unter einem Dach, die alle sowohl eigene Räumlichkeiten als auch Gemeinschaftsräume nutzen und zwanglose Begegnungen und Beteiligung von Menschen unterschiedlichen Alters, sozialen und kulturellen Hintergrunds ermöglichen.
„Quartiersarbeit wird meist projektbezogen und damit zeitlich befristet geleistet“, sagte Dr. Ruth Bördlein aus Greifswald. Soziale Arbeit aber sei Beziehungsarbeit – das Auslaufen von Projektförderung führe nicht selten zu Brüchen oder sogar Abbruch. Greifswald habe deshalb Quartiersarbeit verstetigt – als Quartierskoordinatorin gehört Bördlein zur Stadtverwaltung. In der Stadt gebe es in den einzelnen Stadtteilen zahlreiche Begegnungsangebote. Das Quartiermanagement habe eine Schnittstellenfunktion, um die unterschiedlichen Partner zu vernetzen. Unverzichtbar sei eine gesicherte personelle Ausstattung in den Einrichtungen.
Für Meinungsvielfalt und Medienkompetenz
seniorTrainerinnen und -Trainer bilden sich zum Thema Medien weiter
Die rund 80 seniorTrainerinnen aus ganz MV sind mit hohen Erwartungen zu ihrer Fachtagung am 23.5.2024 nach Schwerin gekommen. Auf dem Programm steht ein hochaktuelles Thema: „Medien in der Demokratie – was Medien dürfen und sollen“. Es geht um Meinungsfreiheit und Medienkompetenz, um Medienvielfalt und die Verantwortung der Journalisten, um Neue Medien und Künstliche Intelligenz und um den Bildungsauftrag von Schule und Öffentlich-rechtlichen Medien. Sieben Expertinnen und Experten beleuchten diese Fragen aus unterschiedlichen Blickwinkeln und bieten nicht nur viel Fachwissen, sondern geben auch reichlich Impulse für Diskussion und weitere Recherche.
In Sachen Medienkompetenz gebe es großen Nachholbedarf, sagt Helga Bomplitz, Vorsitzende des Landesringes M/V des Deutschen Seniorenringes, zum Auftakt. Auch ihr falle das Erkennen von Fehlinformationen und Fake-News nicht immer leicht. „Um kompetent die Gesellschaft mitgestalten zu können, sind wir auf solide, faktenbasierte Informationen angewiesen“, betont sie. Sie habe Hochachtung vor Journalisten, die sich ihrer Verantwortung bewusst seien. „Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, dass Journalisten bei ihrer Arbeit angepöbelt, bedroht und sogar angegriffen werden“, sagt sie mit Nachdruck. Meinungsfreiheit sei ein hohes Gut – man müsse dann aber auch damit leben, dass man Widerspruch erfahre. Kritik übt Bomplitz an der medialen Darstellung des Alters. „Wir Älteren seien eine Belastung für die Gesellschaft, seien schwach, hilflos und pflegebedürftig und würden die Jungen ausplündern“, beschreibt sie das in den Medien gezeichnete Negativbild der älteren Generation. Es müssten vielmehr die Vielfalt, die Stärken und Kompetenzen der Älteren sichtbar gemacht werden.
Corinna Pfaff, Geschäftsführerin des Deutscher Journalistenverbandes in M-V, stimmt den Forderungen der Senioren an die Medien zu: „Hauptaufgabe der Medien ist es, die Öffentlichkeit mit relevanten Informationen zu versorgen, den Mächtigen auf die Finger zu schauen, aufzudecken, was falsch läuft in der Gesellschaft, Hintergründe zu recherchieren – das macht guten Journalismus aus.“ Hierfür brauche es eine vielfältige Medienlandschaft. Noch sei MV keine mediale Wüste – es gebe mehrere Tageszeitungen, zwei Nachrichtenagenturen, Öffentlich-rechtliche TV- und Radioanstalten sowie viele lokale private TV-Sender. Aber durch die Konzentration der Medien in den Händen weniger gewinnorientierter Konzerne entstünden Lücken in der qualitätvollen Berichterstattung. Besonders der Lokaljournalismus leide unter dieser Entwicklung – die ausgedünnten Redaktionen könnten nicht mehr nah bei den Menschen, bei ihrer Lebenswirklichkeit sein. Dies eröffne Lücken für private Initiativen, aber auch für Fehlinformationen und Fake-News. „Das ist eine große Gefahr für die Glaubwürdigkeit der Medien und damit letztlich auch für die Demokratie“, sagt Pfaff und betont: „Medienvielfalt und Meinungsvielfalt sind keine Selbstverständlichkeiten, aber unverzichtbar in der Demokratie!“
„Die Demokratie braucht gut informierte Bürgerinnen und Bürger“, stimmt Dr. Sascha Hölig vom Hamburger Leibniz-Institut für Medienforschung den Vorrednerinnen zu. Seine Studie „Mediennutzung und politische Kultur in Mecklenburg-Vorpommern“ habe gezeigt, dass die Menschen in MV sehr wohl wissen wollen, was in ihrem Bundesland passiere. „Von Interesselosigkeit kann überhaupt keine Rede sein!“, betont Hölig. Die wichtigsten Informationsquellen seien Radio und Fernsehen. Die Nutzung gedruckter Informationen dagegen gehe stark zurück. Zusätzlich würden sich nicht nur die Jüngeren, sondern auch die Älteren online informieren. „Von digital abgehängt sind wir weit entfernt“, resümiert der Medienwissenschaftler. Er räumt auch mit einem weiteren Klischee auf: „Das Bild einer Polarisierung der Gesellschaft, das in den Sozialen Medien vermittelt wird, hat wenig mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu tun.“ Voraussetzung, sich in „Filterblasen und Echokammern“ zu verfangen, sei, dass man sich ausschließlich in den Sozialen Medien informiere. Dies würde aber nur auf ein Prozent der Bevölkerung zutreffen. Mut mache auch ein weiteres Ergebnis der repräsentativen Studie: Die Mehrheit sehe die Demokratie als die beste Regierungsform an. Abstriche bei ihrer Zufriedenheit machten viele aber beim Funktionieren der Demokratie in MV und in der Bundesrepublik.
Prof. Dr. Roland Rosenstock von der Universität Greifswald beleuchtet Segen und Fluch der neuen Medien. Der Lehrstuhlinhaber für Praktische Theologie, Religions- und Medienpädagogik wirbt für eine differenzierte Beurteilung der neuen Medien und der Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI). „Die Diskussion hierzu wird noch nicht intensiv genug geführt“, so seine Einschätzung. Mehr als die Hälfte der Menschen glaube, dass die Digitalisierung eine Gefahr für die Demokratie darstelle. Rosenstock räumt ein, dass KI-generierte Texte, Bilder und Videos für Desinformation missbraucht werden können und auch missbraucht werden, zum Beispiel im aktuellen Wahlkampf. Dabei gehe es nicht ausschließlich um Falschinformation, sondern zumindest um Verunsicherung. Deshalb sei es umso wichtiger, kritisch zu sein, sich breit zu informieren und Quellen zu hinterfragen. „Verbreiten Sie nichts weiter, wenn Sie die Quelle nicht kennen“, so sein nachdrücklicher Appell. Zugleich aber gelte es, die Vorteile von KI zu kennen und zu nutzen. Auch im Ehrenamt könne KI nützlich sein, zum Beispiel beim Erstellen von Texten und bei Routineaufgaben.
Medienkompetenz als Bildungsauftrag ist das Thema von Olaf Müller. Selbstverständlich habe die Schule einen Bildungsauftrag, der mehr umfasse als nur Wissensvermittlung, betont der Referent für Medienbildung beim Medienpädagogischen Zentrum der Landesregierung. „Bildung geht nicht ohne Wissen – aber Bildung ist mehr als Wissen!“, stellt er klar. Ziel der Bildung sei es, „die Welt zu sehen, wie sie ist“. Besonders junge Menschen, die sehr viel in digitalen Medien unterwegs seien, müssten lernen, ihre Informationen aus unterschiedlichen Quellen zu beziehen und diese Quellen immer wieder kritisch zu hinterfragen. Das alles schließe nicht aus, „die Welt zu träumen, wie sie sein soll“.
Einen Bildungsauftrag hätten, im Gegensatz zu privaten Medien einschließlich der Zeitungen, auch die Öffentlich-rechtlichen Medien, schließlich seien sie gebührenfinanziert.
Bernd Mosebach, Leiter des ZDF-Landesstudios M-V, beschäftigt sich mit der Frage, welchen Beitrag der Öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) zum Gemeinwohl leisten muss und leistet. Laut Medienstaatsvertrag hätten die ÖRR-Medien den klaren Auftrag, „die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen, hierzu ein breites Gesamtangebot an alle zu unterbreiten und damit den gesamtgesellschaftlichen Diskurs zu befördern“. Die Interessen Einzelner seien dabei durchaus relevant – aber immer in angemessener Relation zu den gesamtgesellschaftlichen Bedürfnissen. „Der Druck auf die Öffentlich-rechtlichen wächst“, so Mosebach. Das zeige nicht zuletzt die Debatte um den Rundfunkbeitrag. Aber gerade angesichts der Tatsache, dass die journalistische Vielfalt schmelze und der Populismus immer mehr Raum greife, sei der ÖRR mehr denn je als „Scharnier zwischen Regierung und Öffentlichkeit“ unverzichtbar. Modebachs Appell an die seniorTrainerinnen: „Informieren Sie sich breit! Prüfen Sie die Quellen! Bleiben Sie kritisch!“
„Der Öffentlich-rechtliche Rundfunk steht wie noch nie in der öffentlichen Kritik“, räumt Joachim Böskens, Direktor des NDR-Landesfunkhauses, ein. Journalismus sei heute angesichts der demografischen Entwicklung, der Sozialen Medien und des Personalabbaus extrem schwierig. „Aber wir machen unseren Job – unabhängig und staatsfern“, bekräftigt er. „Das ist unsere DNA!“ Für die Kontrolle der Unabhängigkeit sorgten Verwaltungsrat und Landesrundfunkrat. „In diesen Gremien dominieren nicht die Parteien, ihnen gehörten Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen und Institutionen an.“
Abschließend befragt der Schweriner seniorTrainer Claus Oellerking Michael Seidel, bis vor kurzem Chefredakteur der Schweriner Volkszeitung, zur Zukunft der lokalen Tageszeitungen. Mit dem Kauf der SVZ durch die Schwäbische Verlagsgruppe, die 2021 bereits den Nordkurier übernommen hatte, wechselte Seidel auf die Position des Unternehmenssprechers. „Ganz ohne Frage führt die Medienkonzentration zur Ausdünnung der Medienvielfalt und zu Personalabbau“, muss Seidel einräumen. „Jetzt entscheiden Betriebswirte, welche Redaktion sich das Unternehmen noch leisten kann/will“. Dennoch werde es auch auf lange Sicht noch die gedruckte Regionalzeitung geben“, ist sich Seidel sicher. „Die Leute wollen lesen, was in ihrem Lebensumfeld passiert.“ Jedoch werde sich die Zeitung weg vom Nachrichten-Medium hin zum Einordnungs-Medium entwickeln. Und für die Zustellung der Zeitungen, vor allem im dünn besiedelten ländlichen Raum, müssten neue logistische Lösungen gefunden werden. Seidel wirbt um Verständnis, dass die Tageszeitung nicht von allen Initiativen der zahlreichen Vereine und Initiativen berichten könne. „Wir sind ein Massenmedium – daran orientiert sich unsere Themenauswahl.“ Auch KI kommt zur Sprache. „Wir nutzen jetzt schon KI“, sagt Seidel und nennt als Beispiele die Rechtschreibkontrolle, das Erstellen von Grafiken und die Entlastung der Redakteure bei aufwendigen Recherchen. „Wenn wir KI-bearbeitete Artikel veröffentlichen, kennzeichnen wir das“, betont er.
Gemeinsam für gleichwertige Lebensverhältnisse
seniorTrainerinnen plädieren für ein vorurteilsfreies Miteinander von Ost und West
Gleichwertigkeit bedeutet nicht Gleichheit – diese Grundüberzeugung teilten die rund 100 Teilnehmenden und die Referentinnen und Referenten der Fachtagung der seniorTrainerinnen am 2. November 2023. Bei der Bewältigung der vielfältigen aktuellen Probleme gehe es vielmehr um Chancengleichheit für alle – unabhängig vom Wohnort – und auch um ein vorurteilsfreies Miteinander von Ost und West.
Eine klare Absage an eine neue Ost-West-Debatte erteilte gleich zum Auftakt Helga Bomplitz, Vorsitzende des Landesringes M-V des Deutschen Seniorenringes. Die Kategorisierung der Ostdeutschen in „Sozio-Ostdeutsche mit Osthintergrund“, „Emo-„ „Bio-“ und „Geo-Ostdeutsche“ schüre neue Kontroversen und trage nicht zur konstruktiven Lösung der zahlreichen gesamtdeutschen Probleme bei. „Wenn wir so weitermachen, dauert es noch Jahrzehnte, bis wir begreifen, dass wir nur gemeinsam etwas erreichen können“, so Bomplitz. Sie verurteilte die Äußerungen von Springervorstand Mathias Döpfner, die Ostdeutschen würden nie Demokraten, als unverschämt und respektlos. „Was seniorTrainerinnen mit ihrem Engagement leisten, ist Demokratie pur!“, betonte sie.
Auch Ministerpräsidentin und Schirmherrin der Tagung Manuela Schwesig würdigte in ihrer Video-Botschaft das Engagement der 800 seniorTrainerinnen im Land: „Sie sind eine starke, tragende Stütze des Ehrenamtes!“ Um gleichwertige Lebensverhältnisse erreichen zu können, brauche es aber auch gute Rahmenbedingungen, fügte sie hinzu.
„Der Versuch, Ost und West gegeneinander auszuspielen, ist vollkommen neben der Spur“, fand auch Loring Sittler, Berater für Fragen des gesellschaftlichen Wandels. Er appellierte an die Ehrenamtlichen, sich „als Treiber vor Ort“ einzusetzen: „Fragen wir uns, was wir selbst dazu beitragen können, die Daseinsvorsorge vor Ort zu verbessern!“ Es brauche ein Miteinander von Staat, Wirtschaft und Bürgergesellschaft sowie verlässliche Rahmenbedingungen für ehrenamtliches Engagement. Gute Beispiele für vernetzte Seniorenarbeit seien unter anderem Seniorengenossenschaften.
Gleichwertigkeit sei nicht gleichbedeutend mit Gleichartigkeit, betonte Thomas Deiters vom Städte- und Gemeindetag M-V, jedoch müsse die Politik ein Mindestmaß an Homogenität sicherstellen. „Die nähere Ausgestaltung vor Ort liegt dann in der Verantwortung der Länder, Städte und Gemeinden – und im gesellschaftlichen Engagement der Bürgerinnen und Bürger.“
„Ist es wirklich so, dass sich die Lebensverhältnisse in Ost und West grundlegend unterscheiden?“, fragte Heiko Miraß, Parlamentarischer Staatssekretär für Vorpommern und das östliche Mecklenburg. Ja, es gebe Nachholbedarf in Ostmecklenburg und Vorpommern, aber die Unterschiede zum westlichen Landesteil hätten sich verringert. Er plädierte dafür, die lange, unterschiedliche Geschichte und Entwicklung der beiden Landesteile von M-V nicht außer Acht zu lassen. Bei aller Angleichung sollten die jeweiligen Besonderheiten von Vorpommern und Mecklenburg auch künftig Bestand haben. Als wichtige Zukunftsthemen nannte Miraß die Mobilität, die Sicherung der Grundversorgung, die Attraktivität der Regionen auch für junge Menschen, die Stärkung der regionalen Identität und die Förderung und Stärkung der Bürgerbeteiligung.
Ausgrenzung, Aggressivität und Diffamierung seien zurzeit leider oftmals wichtiger als Austausch und Respekt, beklagte Sozialministerin Stefanie Drese. „Verantwortung und Kompromissbereitschaft sind jedoch keine Schwäche, sondern die Stärke der demokratischen Gesellschaft“, betonte sie. Eine Gesellschaft lebe vom Miteinander, vom freiwilligen Engagement der Bürgerinnen und Bürger. „Sie sind mit Ihren vielfältigen Initiativen vor Ort Werbebotschafter für eine aktive Bürgerbeteiligung“, lobte Drese das Engagement der seniorTrainerinnen und versprach, dass die Landesregierung bis 2025 eine Ehrenamtsstrategie entwickeln würde, um die Rahmenbedingungen für das Ehrenamt zu verbessern und zu verstetigen.
Bürgermeister Ronald Radscheidt stellte Erfahrungen und Perspektiven bei der Entwicklung seiner Gemeinde Plate bei Schwerin vor. Dass die Gemeinde so gut dastehe, erklärt er mit der grundlegenden Strategie: „Statt Klienteldenken setzen wir auf Generationen übergreifende Projekte, Veranstaltungen und Aktionen!“ So könne man es schaffen, ein lebenswerter Ort für Alt und Jung zu sein. Das Genossenschaftsmodell wolle man in Plate bei dem geplanten Energiepark aufgreifen, den Gemeinde, Wirtschaft und Bürgergesellschaft gemeinsam realisieren wollen.
Jeder sollte – unabhängig vom Wohnort -, gut versorgt und gut angebunden sein an das gesellschaftliche Leben, sagte Christine Klingohr. Angesichts der dünnen Besiedelung und des demografischen Wandels stelle das den Landkreis Ludwigslust-Parchim vor große Herausforderungen, so die Landtagsabgeordnete und Vorsitzende des Finanzausschusses im Kreistag. Sie nannte als vordringliche Handlungsfelder die Sicherung der medizinischen Versorgung, die Verkehrsinfrastruktur, den Breitbandausbau und das Startup- und Gründerzentrum deve-LUP.
Klima- und Umweltschutz gehören auch zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse, stellte Kristin Klinger klar, Geschäftsführerin der Klima- und Umweltstiftung M-V. Man dürfe Menschen mit ihren unterschiedlichen Lebensrealitäten nicht gegeneinander aufhetzen. „Diese Riesenaufgabe können wir nur gemeinsam angehen!“ Über das WIE könne man streiten, nicht aber über das WARUM.
Die Runde der Referenten beschloss Michael Seidel, Chefredakteur der Schweriner Volkszeitung. „Eine freie, unabhängige Presse ist für die Demokratie unverzichtbar“, sagte er und warnte vor dem Sterben täglich erscheinender Regionalzeitungen: „Dann ist keiner mehr da, der politische Aushandlungsprozesse in der Stadtvertretung oder im Kreistag erklärt und kritisch hinterfragt!“ Wichtig sei es, für mehr Medienkompetenz zu sorgen und die Menschen aller Altersgruppen zu Medien- und Quellenkritik zu befähigen.
Ehrung mit dem Ehrenamtsdiplom
Höhepunkt und Abschluss der Fachtagung war die Würdigung und Ehrung von sechs langjährig engagierten seniorTrainerinnen. Über das Ehrenamtsdiplom freuten sich Otto Woit (Mehrgenerationenhaus Torgelow), Wolfgang Werth (Seniorenbüro Neubrandenburg), Maria Lebek (Bürgerhafen Greifswald), Eberhard Lincke (Mehrgenerationenhaus Stralsund), Christel Adolph (Seniorenbüro Schwerin) sowie Helga Ketelhohn und Renate Engler (beide Rostocker Seniorenakademie).
Jetzt erst recht!
Fachtagung zur Teilhabe und Mitgestaltung der älteren Generation
Bei der Fachtagung der seniorTrainerinnen am 11. Mai 2023 stand erneut die gleichberechtigte Teilhabe der Älteren am gesellschaftlichen Leben im Fokus. Dabei kristallisierte sich sowohl in den Fachvorträgen als auch in der Diskussion eine grundlegende Erkenntnis und Forderung heraus: Die aktuellen und zukünftigen Probleme der Gesellschaft können nur durch ein Miteinander der Generationen gemeistert werden.
Das Motto der Tagung Jetzt erst recht klingt nicht nur selbstbewusst“, sagte Helga Bomplitz, Vorsitzende des Landesring M/V des Deutschen Seniorenringes e.V., zum Auftakt, es beinhalte auch die Forderung nach entsprechenden Rahmenbedingungen für Teilhabe und Mitbestimmung der Älteren. Dabei sei der Dialog der Generationen unverzichtbar. Zwar habe jede Generation ihre eigene Lebenswirklichkeit, aber „demografische Krisen können nur gemeinsam bewältigt werden“.
Diese Forderung zog sich wie ein roter Faden durch alle Fachreferate.
„Der Klassiker – Jugendliche erklären den Senioreninnen Handy und Tablet – wird der Lebenswirklichkeit mit wechselseitigem Geben und Nehmen nicht gerecht“, betonte Karl Michael Griffig, stellvertretender BAGSO-Vorsitzender. Zu den Themenschwerpunkten der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen gehöre neben Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Klimaschutz sowie Bürokratieabbau bei der Förderung des Ehrenamtes auch die Solidarität der Generationen.
Ihre Forschungen zum Thema Altersbilder und Altersdiskriminierung würden keinen Hinweis geben auf universellen Ageismus in den Köpfen der Deutschen, erklärte Valentina Ludwig von der Medical School Berlin. Vielmehr sei ein differenzierter Blick auf die Lebensphase ALTER zu konstatieren – sowohl bei den jüngeren als auch bei den älteren Menschen. Häufig würde Alter pauschal als defizitär wahrgenommen; Jüngeren fühlten sich in Beruf und Politik einer Übermacht Älterer gegenüber, jede/r Dritte (auch die Älteren selbst!) erwarte vor den Senioreninnen gesellschaftlichen Rückzug und „Nicht-zur-Last-Fallen“. Zugleich hätten Ältere einen differenzierteren Blick auf das Alter und die jüngere Generation gestehe den Älteren mehr Rechte zu, als diese Gruppe selbst für sich beanspruche. Diese Spannungen zwischen den Generationen müssten thematisiert werden. Ludwigs Fazit: „Wir sollten lernen, Ageismus zu erkennen und ihm entgegenzutreten.“ Dies eröffne neue Möglichkeiten für eine positive Gestaltung der Lebensphase Alter.
Niklas Rathsmann von der Körber-Stiftung nahm das Thema Einsamkeit in den Blick. Auch dies sei kein Problem nur der älteren Generation, betonte er. Allerdings steige in einer alternden Gesellschaft das Risiko für Einsamkeit. Als einsamkeitsfördernde Faktoren nannte er u.a. Partnerlosigkeit, fehlende Infrastruktur, Krankheit, Armut und niedrigen Bildungsgrad. Allerdings bedeute Alleinsein nicht automatisch Einsamkeit. Auch sei Einsamkeit nicht gleichzusetzen mit sozialer Isolation. Vielmehr resultiere das Gefühl der Einsamkeit aus der Diskrepanz zwischen gewünschter und gefühlter Einbindung in die Gesellschaft. Mittel gegen Einsamkeit sehe er im Kampf gegen Altersarmut, gegen Strukturabbau, für gleichwertige Lebensverhältnisse sowie in kommunalen, öffentlich zugänglichen Begegnungsangeboten ohne Konsumzwang.
Als ein Instrument zur politischen Mitwirkung der Senioreninnen stellte Brigitte Seifert aus Torgelow das Format „Altenparlament MV“ vor. Dieses sei 1999 als erstes Altenparlament in den Neuen Bundesländern überhaupt etabliert worden und habe im Oktober 2022 zum 12. Mal im Landtag MV stattgefunden. Neben den Themen Beratungslandschaft in MV und Medienkompetenz gehöre auch das Ziel einer lebenswerten Zukunft für Alt und Jung in MV zu den aktuellen Forderungen an die Landespolitiker.
Eine landesweite Interessenvertretung von Kinder und Jugendlichen gebe es in Mecklenburg-Vorpommern noch nicht, räumte Frederic Werner ein. Die im Januar 2022 eingesetzte Enquete-Kommission des Landtages „Jung sein in MV“, deren Geschäftsstelle er leitet, sei ein wichtiger Schritt hin zu mehr Jugendbeteiligung in der Landespolitik. Die Kommission soll elf Themenfelder beleuchten und Handlungsempfehlungen für die Landespolitik erarbeiten, u.a. für Teilhabe, Mitwirkung und bürgerschaftliches Engagement. Darüber hinaus soll sich die Kommission, der 13 Abgeordnete aller sechs Fraktionen und 12 nichtparlamentarische Sachverständige angehören, zu Grundfragen des zukünftigen Zusammenlebens der Generationen, zum Verhältnis von individueller Verantwortung und staatlicher Daseinsfürsorge sowie zur Chancengerechtigkeit verständigen.
„Gemeinsam mit der Jugend Zukunft gestalten“ war der Redebeitrag von Loring Sittler überschrieben. Der Berater für Fragen des gesellschaftlichen Wandels würdigte die vielfältigen Einzelprojekte im zivilgesellschaftlichen Engagement von Seniorinnen, jedoch müsse neben der „Hamster-Projektarbeit“ ein Teil des Engagements in politische Zukunftsarbeit investiert werden: „Aktuelle und Zukunftsprobleme müssen gleichberechtigt im Blick von Engagement sein!“ Neben aller berechtigten Sorge um den Klimawandel müsse man sich fragen: „Wo sind die Prioritäten, die wir in eigener, nationaler Verantwortung setzen und beeinflussen können?“ Die Menschen müssten für die Ungerechtigkeiten zwischen den Generationen sensibilisiert werden. Dafür sei der Dialog zwischen Jung und Alt vor Ort unverzichtbar.
Für ein Miteinander der Generationen plädierte auch Prof Dr. Claudia Neu. „Alle Generationen haben verinnerlicht, dass sie jeweils füreinander eintreten sollten“, sagte die Soziologin von der Universität Göttingen. Dabei gehe es aber nicht „nur“ um das FÜReinander, sondern vielmehr um das MITeinander! Auch angesichts des Wandels des zivilgesellschaftlichen Engagements – von festen, institutionalisierten Strukturen zu neuen, fluiden Engagementformen – forderte sie mehr generationenübergreifende Projekte. Sie stellte fünf Kommunen vor, die Zukunfts- und Konfliktthemen aufgreifen und dabei die Potenziale aller Generationen einbeziehen. Ein Beispiel sei das Dorf Balow im Landkreis Ludwigslust-Parchim. Hier würden alle 320 Einwohnerinnen und Einwohner in die Dorfpolitik eingebunden – von der neuen Spielplatzwippe bis zur Begrünung der öffentlichen Plätze.
„Ja – wir brauchen neue Dialogprojekte zwischen den Generationen“, lautete das Fazit von Helga Bomplitz am Ende der Tagung: „Das Miteinander-Reden ist das A und O!“
Claudia Richter
Sozialministerin Stefanie Drese zeichnete langjährig aktive seniorTrainerinnen mit dem Ehrenamts-Diplom aus.
20 Jahre seniorTrainer-Ausbildung in MV
Festlicher Jubiläums-Empfang in Schwerin
Im Anschluss an die Fachtagung wurde das 20-jährige Jubiläum des Landesprojektes „Weiterbildung älterer Menschen für bürgerschaftliches Engagement als seniorTrainerin“ gewürdigt. Förderer und Unterstützer des erfolgreichen Projektes gratulierten und dankten den rund 800 seniorTrainern und seniorTrainerinnen, die seit Programmstart ausgebildet wurden, für ihr Engagement. Rund 100 der Ehrenamtlichen nahmen an der Feierstunde teil. Sozialministerin Stefanie Drese zeichnete sechs langjährig aktive seniorTrainerinnen mit dem Ehrenamts-Diplom aus.
Helga Bomplitz, Vorsitzende des Landesring M/V des Deutschen Seniorenringes e.V., dankte allen seniorTrainern und seniorTrainerinnen sowie den Agentur-Leiterinnen für ihre Arbeit. Zugleich appellierte sie an Landtag und Landesregierung: „Mecklenburg-Vorpommern braucht dringend einen Neustart für das zivilgesellschaftliche Engagement! Wir fordern eine Engagementpolitik, die ein selbstbestimmtes Engagement ermöglicht!“
„seniorTrainerinnen haben ein unschätzbares Potenzial – sie haben oft Zeit und setzen diese für unsere Gemeinschaft ein“, sagte Sozialministerin Stefanie Drese in ihrem Grußwort. Auch sie dankte allen Engagierten für ihren Einsatz. Das erklärte Ziel der Landesregierung sei es, das ehrenamtliche Engagement weiterzuentwickeln und die Rahmenbedingungen dafür zu verbessern.
„Bürgerschaftliches Engagement wird gerade in Zeiten gesellschaftlicher Krisen immer wichtiger“, erklärte Schwerins Oberbürgermeister Dr. Rico Badenschier. Es stärke nicht nur den gesellschaftlichen Zusammenhalt, sondern fördere auch selbstbestimmtes Handeln.
Die seniorenpolitischen Sprecherinnen der SPD- sowie der Linksfraktion im Landtag, Christine Klingohr und Elke-Annette Schmidt, schlossen sich dem Dank und den Glückwünschen an. „Eine lebendige Demokratie braucht aktive Bürger und Bürgerinnen“, waren sich beide Landtagsabgeordnete einig.
Den Reigen der Gratulanten beschloss Bernd Rosenheinrich, Vorsitzender des Landes-Seniorenbeirates. Er sprach wohl allen Anwesenden aus dem Herzen: „Der Wunsch nach lebenslangem Lernen endet nicht mit dem Eintritt ins Rentenalter!“
Hintergrund
Landesprojekt „Weiterbildung älterer Menschen für bürgerschaftliches Engagement als seniorTrainerin sowie deren fachliche Begleitung“
Menschen, die nach Ausscheiden aus dem Berufsleben weiterhin aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und sich ehrenamtlich engagieren möchten, können sich zum seniorTrainer bzw. zur seniorTrainerin ausbilden lassen. In einem Grundkurs werden sie auf ihr künftiges Engagement vorbereitet. Der Grundkurs endet mit einem Zertifikat und wird ergänzt durch landesweite Fachtagungen zu aktuellen Themen. Seit Programmstart 2002 konnten 800 seniorTrainer und seniorTrainerinnen ausgebildet werden. Gefördert wird das Projekt unter der Trägerschaft des Landesring M/V des Deutschen Seniorenringes e.V. durch das Sozialministerium MV.
„Für eine starke Zivilgesellschaft“
Fachtagung der seniorTrainerinnen und seniorTrainer zum Thema
„Engagement und Demokratie“
Nichts Geringeres als die Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements stand im Fokus der Fachtagung, zu der der Landesring M/V des Deutschen Seniorenringes e.V. rund 100 seniorTrainerinnen und seniorTrainer am 27. Oktober nach Schwerin ins Ludwig-Bölkow-Haus der IHK eingeladen hatte. Schwerpunkte der Fachvorträge und der Diskussion waren die Forderungen nach einer Landes-Engagementstrategie und nach Entbürokratisierung der Förderpraxis im Ehrenamt.
Helga Bomplitz, Vorsitzende des Landesring M/V des Deutschen Seniorenringes e.V., bekräftigte diese Forderung und appellierte an Landtag und Landesregierung: „Sonntagsreden helfen nicht weiter – was wir brauchen, ist eine Landes-Engagementstrategie.“ Gerade angesichts des Erstarkens rechtspopulistischer Kräfte brauche es eine starke Zivilgesellschaft.
„Wir Politikerinnen und Politiker sind besser als unser Ruf“, entgegnete Ariane Fäscher. Es sei viel passiert, sagte die Bundestagsabgeordnete und verwies auf die Gründung der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt, die ihren Sitz in Neustrelitz hat. Angesichts der aktuellen Krisen seien aber andere Rahmenbedingungen erforderlich. „Engagement findet vor Ort statt, in den Städten und Gemeinden“ – dies müsse mitgedacht werden, wenn über eine nationale Engagementstrategie nachgedacht werde.
Dr. Holger Krimmer lenkte das Augenmerk der Tagungsgäste in die Zukunft. „Was müssen wir heute tun, um zukunftsfähig zu sein?“, fragte der Geschäftsführer der ZiviZ gGmbH. Zwar steige die Engagement-Quote, zugleich aber sinke die Bereitschaft zur Übernahme von Führungsaufgaben. Hinzu kämen der Bevölkerungsrückgang, die Überalterung der Gesellschaft und die wachsende soziale Ungleichheit. Dies alles stelle das Ehrenamt vor große Herausforderungen.
Jan Holze, Vorstand der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt, sieht die Gründung der Stiftung auch als ein Beispiel dafür, dass „Forderungen und politisches Handeln auch Ergebnisse zeigen“. Die Stiftung biete Service und Beratung, beispielsweise helfe sie bei der Beantragung von Projektförderung, organisiere Seminare und Fachtagungen. „Wir wollen euch helfen, weiter zu helfen“, brachte Holze das Anliegen der Stiftung auf den Punkt.
„Ehrenamt ist nicht nur in Krisenzeiten wichtig“, betonte Loring Sittler, Berater für Fragen des gesellschaftlichen Wandels. Er kritisierte, dass bürgerschaftliches Engagement vorrangig auf die Lösung sozialer Probleme reduziert werde, die die Politik nicht löse. „Wer bürgerschaftliches Engagement sagt, muss gesellschaftliches Engagement meinen!“ Sein Appell an die Tagungsteilnehmerinnen: „Empört euch! Engagiert euch!“
Jochen Schmidt, Direktor der Landeszentrale für politische Bildung, rät bei aller Unzufriedenheit mit der aktuellen Situation zu mehr Gelassenheit. „Der Demokratie als Regierungsform stimmen 88 Prozent der Bevölkerung in Deutschland zu“, betonte er. Es brauche aber mehr Bürger, die das demokratische System nicht nur akzeptieren, sondern mitgestalten wollen und können. Hierfür sehe sich die Landeszentrale als Service- und Beratungsstelle.
Bildquelle: Seniorenbüro Schwerin
Alter schützt vor TORheit nicht (Claus Oellerking)
„Gefühlte Wahrheiten und belegbare Zahlen sind zwei verschiedene Dinge, das gilt auch für die Digitalisierung in MV und die Nutzung digitaler Medien durch ältere Menschen.“, so Helga Bomplitz, Vorsitzende des Landesring M/V des Deutschen Seniorenringes e.V. zur Eröffnung der Fachtagung der „seniorTrainerinnen“. Die rund 90 Teilnehmenden im Alter zwischen 55 und 80 Jahren sind aus allen Regionen Mecklenburg-Vorpommern nach Schwerin gekommen und wollen wissen, welche Chancen und Herausforderungen die Digitalisierung im Alltag mit sich bringt.
Und die Referenteninnen legen viele Zahlen auf den Tisch. Die Bandbreite der digitalen Möglichkeiten, die von den Tagungsgästen genutzt werden, ist groß: Einkaufen bei Online-Anbietern, Buchung von Fahrkarten und Reisen, die Suche nach Informationen und die Kommunikation in Sozialen Netzwerken und mit Hilfe von Messenger-Diensten sind für sie nichts besonders. „Wir haben auch gute Erfahrungen mit dem Einsatz von Tablet-PCs, die für Menschen mit Sehbinderungen als Lesehilfen dienen und Senioreninnen helfen, ihre Fingerfertigkeit zu erhalten, indem sie sich am Bildschirm mit Computerspielen beschäftigen.“, sagt Stephan Seiffert von der „Stiftung Digitale Chancen“.
„In MV nutzen 74% der Menschen das Internet täglich. Das ist etwas unter dem Bundesdurchschnitt von 84%.“, so Nicole Opiela vom Kompetenzzentrum Öffentliche IT des Frauenhofer-Instituts. „Fast die Hälfte der Befragten sucht online den Kontakt zu Behörden und öffentlicher Verwaltung, aber nur jede(r) Sechste versendet zum Beispiel ausgefüllte Formulare elektronisch.“ – „Da ist in den Verwaltungen sicher noch Luft nach oben.“, meint der Schweriner Oberbürgermeister Dr. Rico Badenschier. Bis 2022 sollen Bund, Länder und die Kommunen alle Verwaltungsleistungen in Deutschland über Verwaltungsportale auch digital anbieten und diese Portale zu einem Verbund verknüpfen. Das fordert das Onlinezugangsgesetz (OZG) von 2017. „Für uns ist das eine Herkulesaufgabe, der wir uns natürlich stellen.“ so Badenschier. Drei Verwaltungsdienstleistungen können in Schwerin bisher vollständig digital erledigt werden: Anmelden einer Veranstaltung, Anmelden der Hundesteuer und der Anwohnerparkausweis.
Wer digital dabei sein möchte, braucht einen Zugang zum Internet und muss die Bedienung von Smartphone, Tablet und Co. erlernen. „Das ist nicht für jeden gegeben.“, stellt Harald Seiler, einer der seniorTrainer, fest. „Unabhängig davon, ob das Internet in den Dörfern schnell oder langsam ist, es kann nicht jeder 50 € oder 60 € im Monat dafür auf den Tisch legen oder einen Hausanschluss für 900 € bis 1.300 € bezahlen.“ – „Silver-Surfer“, nennen sich ehrenamtliche seniorTrainerinnen, die ältere Menschen beim Erlernen der Technik unterstützen. Sie arbeiten mit kleinen Gruppen oder auch mal mit Einzelpersonen. Das kostet Geld für Räume, Technik, Internetnutzung und wie so oft, ist die Finanzierung solch ehrenamtlichen Handelns nicht zuverlässig abgesichert. Gerade im ländlichen Bereich, wo der Online-Handel oder der Einsatz von „Tele-Notärzten“ besonders sinnvoll sei, könnte es also für manche Menschen schwierig werden. Das wäre in unserem Flächenstaat mit einem hohen Anteil älterer Menschen sicher keine gute Entwicklung.
Mindestens eines wurde klar: Alter schützt nicht vor Neugierde, Lernbereitschaft und Begeisterung für die digitalen Möglichkeiten. Schutz der Daten ist ein Aspekt, der dabei immer eine wichtige Rolle spielt. Und so nutzen auch manche der Senioren das TOR-Netzwerk – The Onion Router – als Zugang zu Internet. Mit dem TOR-Browser gibt es eine Möglichkeit im Internet anonym zu surfen und somit den Schutz der Privatsphäre und der Daten zu erhöhen. In jedem Alter.
Qualifizierung zum/zur seniorTrainerin
Dem bürgerschaftlichen Engagement kommt angesichts des demografischen Wandels und den damit verbundenen Herausforderungen eine Schlüsselrolle zu.
Das wissen auch die Senioren und Seniorinnen, die nach der Qualifizierung im Rahmen des Landesprojektes: „Weiterbildung älterer Menschen für bürgerschaftliches Engagement als seniorTrainerin“ am 14.11.2019 im Beisein des Stadtpräsidenten unserer Landeshauptstadt ihr Zertifikat entgegennehmen konnten. Mit neuen Ideen und Projekten werden sie künftig in unterschiedlichen Regionen unseres Bundeslandes aktiv werden. Zielgruppen ihres Engagements sind u.a. Kinder- und Jugendliche, ältere Menschen auch junge Familien freuen sich über die Unterstützung der „Familienpaten“.
Unter der Trägerschaft des Landesring M/V des Deutschen Seniorenringes e.V., gefördert durch das Ministerium für Soziales, Integration und Gleichstellung, findet auch im kommenden Jahr wieder ein neuntägiger Grundkurs zur Qualifizierung zum/zur seniorTrainerin statt.
Weitere Informationen unter http://www.seniorenring-mv.de oder auch telefonisch unter: 0385 5574962.