Bei der Fachtagung der seniorTrainerinnen am 11. Mai 2023 stand erneut die gleichberechtigte Teilhabe der Älteren am gesellschaftlichen Leben im Fokus. Dabei kristallisierte sich sowohl in den Fachvorträgen als auch in der Diskussion eine grundlegende Erkenntnis und Forderung heraus: Die aktuellen und zukünftigen Probleme der Gesellschaft können nur durch ein Miteinander der Generationen gemeistert werden.

Das Motto der Tagung Jetzt erst recht klingt nicht nur selbstbewusst“, sagte Helga Bomplitz, Vorsitzende des Landesring M/V des Deutschen Seniorenringes e.V., zum Auftakt, es beinhalte auch die Forderung nach entsprechenden Rahmenbedingungen für Teilhabe und Mitbestimmung der Älteren. Dabei sei der Dialog der Generationen unverzichtbar. Zwar habe jede Generation ihre eigene Lebenswirklichkeit, aber „demografische Krisen können nur gemeinsam bewältigt werden“.

Diese Forderung zog sich wie ein roter Faden durch alle Fachreferate.

„Der Klassiker – Jugendliche erklären den Senioreninnen Handy und Tablet – wird der Lebenswirklichkeit mit wechselseitigem Geben und Nehmen nicht gerecht“, betonte Karl Michael Griffig, stellvertretender BAGSO-Vorsitzender. Zu den Themenschwerpunkten der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen gehöre neben Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Klimaschutz sowie Bürokratieabbau bei der Förderung des Ehrenamtes auch die Solidarität der Generationen.

Ihre Forschungen zum Thema Altersbilder und Altersdiskriminierung würden keinen Hinweis geben auf universellen Ageismus in den Köpfen der Deutschen, erklärte Valentina Ludwig von der Medical School Berlin. Vielmehr sei ein differenzierter Blick auf die Lebensphase ALTER zu konstatieren – sowohl bei den jüngeren als auch bei den älteren Menschen. Häufig würde Alter pauschal als defizitär wahrgenommen; Jüngeren fühlten sich in Beruf und Politik einer Übermacht Älterer gegenüber, jede/r Dritte (auch die Älteren selbst!) erwarte vor den Senioreninnen gesellschaftlichen Rückzug und „Nicht-zur-Last-Fallen“. Zugleich hätten Ältere einen differenzierteren Blick auf das Alter und die jüngere Generation gestehe den Älteren mehr Rechte zu, als diese Gruppe selbst für sich beanspruche. Diese Spannungen zwischen den Generationen müssten thematisiert werden. Ludwigs Fazit: „Wir sollten lernen, Ageismus zu erkennen und ihm entgegenzutreten.“ Dies eröffne neue Möglichkeiten für eine positive Gestaltung der Lebensphase Alter.

Niklas Rathsmann von der Körber-Stiftung nahm das Thema Einsamkeit in den Blick. Auch dies sei kein Problem nur der älteren Generation, betonte er. Allerdings steige in einer alternden Gesellschaft das Risiko für Einsamkeit. Als einsamkeitsfördernde Faktoren nannte er u.a. Partnerlosigkeit, fehlende Infrastruktur, Krankheit, Armut und niedrigen Bildungsgrad. Allerdings bedeute Alleinsein nicht automatisch Einsamkeit. Auch sei Einsamkeit nicht gleichzusetzen mit sozialer Isolation. Vielmehr resultiere das Gefühl der Einsamkeit aus der Diskrepanz zwischen gewünschter und gefühlter Einbindung in die Gesellschaft. Mittel gegen Einsamkeit sehe er im Kampf gegen Altersarmut, gegen Strukturabbau, für gleichwertige Lebensverhältnisse sowie in kommunalen, öffentlich zugänglichen Begegnungsangeboten ohne Konsumzwang.

Als ein Instrument zur politischen Mitwirkung der Senioreninnen stellte Brigitte Seifert aus Torgelow das Format „Altenparlament MV“ vor. Dieses sei 1999 als erstes Altenparlament in den Neuen Bundesländern überhaupt etabliert worden und habe im Oktober 2022 zum 12. Mal im Landtag MV stattgefunden. Neben den Themen Beratungslandschaft in MV und Medienkompetenz gehöre auch das Ziel einer lebenswerten Zukunft für Alt und Jung in MV zu den aktuellen Forderungen an die Landespolitiker.

Eine landesweite Interessenvertretung von Kinder und Jugendlichen gebe es in Mecklenburg-Vorpommern noch nicht, räumte Frederic Werner ein. Die im Januar 2022 eingesetzte Enquete-Kommission des Landtages „Jung sein in MV“, deren Geschäftsstelle er leitet, sei ein wichtiger Schritt hin zu mehr Jugendbeteiligung in der Landespolitik. Die Kommission soll elf Themenfelder beleuchten und Handlungsempfehlungen für die Landespolitik erarbeiten, u.a. für Teilhabe, Mitwirkung und bürgerschaftliches Engagement. Darüber hinaus soll sich die Kommission, der 13 Abgeordnete aller sechs Fraktionen und 12 nichtparlamentarische Sachverständige angehören, zu Grundfragen des zukünftigen Zusammenlebens der Generationen, zum Verhältnis von individueller Verantwortung und staatlicher Daseinsfürsorge sowie zur Chancengerechtigkeit verständigen.

„Gemeinsam mit der Jugend Zukunft gestalten“ war der Redebeitrag von Loring Sittler überschrieben. Der Berater für Fragen des gesellschaftlichen Wandels würdigte die vielfältigen Einzelprojekte im zivilgesellschaftlichen Engagement von Seniorinnen, jedoch müsse neben der „Hamster-Projektarbeit“ ein Teil des Engagements in politische Zukunftsarbeit investiert werden: „Aktuelle und Zukunftsprobleme müssen gleichberechtigt im Blick von Engagement sein!“ Neben aller berechtigten Sorge um den Klimawandel müsse man sich fragen: „Wo sind die Prioritäten, die wir in eigener, nationaler Verantwortung setzen und beeinflussen können?“ Die Menschen müssten für die Ungerechtigkeiten zwischen den Generationen sensibilisiert werden. Dafür sei der Dialog zwischen Jung und Alt vor Ort unverzichtbar.

Für ein Miteinander der Generationen plädierte auch Prof Dr. Claudia Neu. „Alle Generationen haben verinnerlicht, dass sie jeweils füreinander eintreten sollten“, sagte die Soziologin von der Universität Göttingen. Dabei gehe es aber nicht „nur“ um das FÜReinander, sondern vielmehr um das MITeinander! Auch angesichts des Wandels des zivilgesellschaftlichen Engagements – von festen, institutionalisierten Strukturen zu neuen, fluiden Engagementformen – forderte sie mehr generationenübergreifende Projekte. Sie stellte fünf Kommunen vor, die Zukunfts- und Konfliktthemen aufgreifen und dabei die Potenziale aller Generationen einbeziehen. Ein Beispiel sei das Dorf Balow im Landkreis Ludwigslust-Parchim. Hier würden alle 320 Einwohnerinnen und Einwohner in die Dorfpolitik eingebunden – von der neuen Spielplatzwippe bis zur Begrünung der öffentlichen Plätze.

„Ja – wir brauchen neue Dialogprojekte zwischen den Generationen“, lautete das Fazit von Helga Bomplitz am Ende der Tagung: „Das Miteinander-Reden ist das A und O!“

Claudia Richter


Sozialministerin Stefanie Drese zeichnete langjährig aktive seniorTrainerinnen mit dem Ehrenamts-Diplom aus.

Von admin

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